Fremdarbeiter*innen in Stolpe

1939 kamen die ersten Fremd- oder Zwangsarbeiter nach Stolpe. Es waren Deutsch-Polen. Auf sie folgten 1940 gefangen genommene Polen. Sie wurden nachts bei Boßmann in Wankendorf untergebracht.

Morgens brachte sie eine Wache nach Stolpe zum Pfeifenkopf. Von hier aus wurden sie auf ihre Arbeitsstellen verteilt. In der Stolper Schulchronik heißt es: „Es sah eigenartig aus, wenn z.B. ein Schuljunge „seinen“ Gefangenen holte oder ablieferte.“ Ein Teil der Gefangenen waren Weißrussen. Sie arbeiteten meist in der Ziegelei. Sie konnten jedoch 1940 in ihre Heimat zurückkehren, die nun russisch geworden war. Sie waren keine Kriegsgefangenen. Das Kriegsgefangenenlager wurde erst 1941/42 eingerichtet.

Wera aus der Ukraine
Wera aus der Ukraine war auf Hof Ellerstrücken eingesetzt

Am 11.8.1940 kamen die ersten Franzosen als Zwangsarbeiter nach Stolpe. Zuerst wurden sie bei den Handwerksbetrieben und Gewerbetreibenden, z.B. in der Bäckerei Brauer eingesetzt, dann auf den Höfen. In den Hochzeiten lebten nach Gerhard Hansen zwischen 40 bis 50 Franzosen in Stolpe.

Kriegerwitwen hatten das Recht, sich einen Zwangsarbeiter zum Umgraben des Gartens kommen zu lassen.

Aus der Schulchronik: „Die Franzosen fügten sich gut ein, waren willig und anstellig. Fast jeder Bauer war mit „seinem“ Gefangenen zufrieden. Trat aus irgendeinem Grunde ein Wechsel ein, so sah der Bauer meistens ungern seinen Franzosen scheiden.“ Zuerst waren auch die Franzosen nachts bei Boßmann in Wankendorf unter Bewachung untergebracht. Doch dann wurde ein so genanntes „Franzosenlager“ am Pfeifenkopf in Stolpe eingerichtet. Es war der Stall der Gaststätte „Zum Pfeifenkopf“, ein massiv gemauerter Bau, weißgestrichen oder gekalkt, niedrig mit Satteldach. Die Stallfenster waren vergittert. Der Boden war mit Ziegelsteinen ausgelegt. Der Stall stand an der Stelle, wo heute das Haus Dorfstraße Nr. 2 steht. Das Haus ist auf den Grundmauern des alten Stalles errichtet. Abends wurden die Fremdarbeiter durchgezählt und eingeschlossen. Nachts wurden die Franzosen von Schlachter Wilhelm Löptin bewacht. Er war der Onkel von Schlachtermeister Erich Kohlmorgen.

Auch polnische Zwangsarbeiter waren eingesetzt. Sie mussten ab 1940 ein „P“ auf ihrer Kleidung tragen. In der Stolper Schulchronik steht dazu ganz suffisant: „Und sie taten’s nicht gern.“ Wen wundert’s.

Die Behandlung der Zwangsarbeiter auf den Höfen war unterschiedlich.

Es gab viele Höfe, wo die Zwangsarbeiter wie Menschen behandelt wurden. Zu ihnen gehörte Bauer Franz Steinfeldt. Der dortige Zwangsarbeiter mit Namen Pierre schenkte Gerd Hansen die erste Schokolade in seinem Leben. Ebenfalls lebte auf dem Hof Steinfeldt eine russische Zwangsarbeiterin, die von Beruf Lehrerin war.

Es gab wie Wera ebenfalls Frauen unter den russischen Zwangsarbeitern. Bei Böttigers wohnte die 17jährige Nadja Buruk aus Weißrussland. Sie sollte zum Schlafen  in das  Russenlager bei Bosmann in Wankendorf gehen, aber Hans Böttiger untersagte es. Bei Böttigers saßen alle Zwangsarbeiter, ob Polen, Russen oder Franzosen, mit am Tisch in der Küche und aßen gemeinsam mit der Familie. Hans Böttiger erlernte von der jungen Weißrussin, die über 2 Jahre auf dem Hof war, etwas russisch.

Rolf Schlüter, der auf dem Hof Böttiger geboren wurde, erhielt seinen Spitznamen „Abba“ von Nadja. Immer, wenn er etwas zu essen haben wollte, sagte er „Happa, happa!“, wovon Nadja ein „Abba, abba“ machte.

Auf Hof Wittmaaßen war eine junge Russin eingesetzt, die schwanger war. Sie wurde nicht gut behandelt. Deshalb holte Hans Böttiger, der Ortsbauernführer, sie bei Nacht und Nebel vom Hof. Ihr Baby brachte sie bei Böttigers auf die Welt und wurde von der Familie aufgepäppelt.

Nach der Befreiung durch die Engländer wurde ein Sammellager für Zwangsarbeiter im Haus von Peter Holm eingerichtet. Solange die Zwangsarbeiter sich dort noch befanden, wurde eine Ausgangssperre für die Dorfbevölkerung erlassen. Die Alliierten hatten Angst, dass die ehemaligen Zwangsarbeiter sich an der Dorfbevölkerung rächen könnten. Es geschah jedoch nichts.

In den 70er Jahren besuchte Marcel Sedow mit seiner Familie den Hof Böttiger. Hier hatte er als Fremdarbeiter in den Kriegsjahren gelebt und gearbeitet. Weil man seinen französischen Vornamen nicht aussprechen konnte, nannten ihn alle Max.

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