Die Burg im Stolper See – wissenschaftliche Erkenntnisse

In der mündlichen Überlieferung der örtlichen Bevölkerung ist das Wissen um eine ehemalige Burg im Stolper See lebhaft in Erinnerung. Noch im 19. Jahrhundert wurden die Reste der Burg, die man bei ruhigem Wetter unter der Wasseroberfläche liegen sah, „das Kastell“ genannt. Man soll sogar um 1888 dort ein Schwert gefunden haben.

Der Kieler Professor Ole Harck fand in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts auf dem „Barschenberg“ im südöstlichen Teil des Stolper Sees Reste der mittelalterlichen Burg. Er beförderte Gegenstände ans Licht wie Spaten, Pfähle, Forke, Axt, Netzsenker, Kugeltopf und Steertpott.

Funde im Stolper See (Kieler Nachrichten)

Schon im Sommer 1979 hatte man bei Tauchgängen auf der Kuppe des Hügels verschiedene Tierknochen, eine Eisenaxt, Geweihfragmente, Dachziegelbruchstücke und Keramikscherben gefunden. Zudem wurden Steinbeile und Meißel entdeckt, die auf ein steinzeitliches Depot schließen ließen.
Der Hügel (Kame), in 1,80 m Wassertiefe gelegen, hat eine Länge von 110 m in west-östlicher und eine Breite von 75 m in nord-südlicher Ausrichtung.
Der Hügel selbst stammt aus den Verschiebungen der Eiszeit, ist aber eventuell beim Bau noch erhöht worden.

Relief des Hügels im Stolper See

Früher lag zudem der Wasserspiegel des Stolper Sees niedriger als heute, da der Stolper See noch nicht aufgestaut wurde.

Im Frühjahr 2008 wurden die unterwasser-archäologischen Untersuchungen unter Leitung von Prof. Ulrich Müller, dem Nachfolger von Prof. Ole Harck, im Rahmen des Projektes „Inselnutzung“ der Christian-Albrechts-Universität wieder aufgenommen.
25 massive Eichenpfähle wurden nun auf dem Hügel genau vermessen, die Spuren eines Brandes aufwiesen. Eine in Hamburg durchgeführte dendrochronologische Untersuchung von vier  Eichenpfählen ergab, dass die Eichen im Winter 1180/81 gefällt wurden. Auch die Reste der blau-grauen, hart gebrannten Keramik datieren in diese Zeit.

Forschungstaucher der Universität Kiel bei der Bergung von Gegenständen

Aus den verschiedenen Funden lassen sich heute folgende Schlüsse ziehen:

Auf dem sogenannten Barschenberg wurde nach 1181 eine Burg aus Holz und Ziegelsteinen, errichtet, die ein mit Dachziegeln gedecktes Dach hatte.  Diese Anlage war mit einem Damm mit dem Ostufer des Stolper Sees verbunden, in Höhe des Einflusses der Alten Schwentine, in der Nähe des heutigen Gutes Perdoel gelegen. Der Damm wurde noch 1551 in der Teilungsurkunde des Gutes Perdoel, und damit in der Gründungsurkunde des Gutes Depenau, erwähnt. Die Burg war aufgrund ihrer Lage gut zu verteidigen.
Ihre frühe Datierung schließt sowohl eine sogenannte Kemlade, wie sie im 14. Jahrhundert gebaut wurden, als auch eine Motte (chateau à motte), eine mittelalterliche Turmhügelburg der holsteinischen Kolonisatoren im Zuge der Slawenunterwerfung im 13. Jahrhundert, aus. Stattdessen muss nun davon ausgegangen werden, dass es sich um eine spätslawische Burg handelt. Untermauert wird dies dadurch, dass die Pfahlsetzung auf eine eher ältere, slawische Baumethode hinweist.
Der Ort Perdoel (ältere Namen: Pridelo, Predole, Prodole) wird am 28. Dezember 1192 in einer Urkunde des Kaisers Heinrich VI., Sohn von Kaiser Friedrich I. gen. Barbarossa, in der auf Wunsch des Bischofs von Lübeck die Besitzungen des Klosters Segeberg bestätigt werden, zum ersten Mal erwähnt, also kurz nach dem Bau der Burg. Perdoel war damals eine Art Außenposten oder Vorwerk des Klosters Segeberg nahe der Grenze zum Kloster Preetz.
Man kann mit Sicherheit davon ausgehen, dass die Herren der slawischen Burg die Ritter Benedictus und Scacco de Prodole waren, die in Urkunden aus den Jahren 1220 und 1221 genannt werden. Der Name Perdoel ist slawischer Herkunft und bedeutet „Quertal“. Da auch der Name des Dorfes Stolpe slawischen Ursprungs ist, muss hier von einer insgesamt slawischen Besiedlung ausgegangen werden. Ob allerdings auch Benedictus und Scacco de Prodole slawischer Herkunft waren, ist ungewiss. Auch sächsische Adelige nahmen den Namen des Ortes ihrer Burganlage an.


Der Bau der Burg lässt sich eventuell mit den Auseinandersetzungen zwischen dem Schauenburger Grafen Adolf III. und dem Welfenherzog Heinrich dem Löwen (ca. 1130 – 1195) aus Braunschweig in Verbindung bringen. Heinrich der Löwe stand in vorderster Front der Unterwerfung der Slawen, geriet jedoch in Konflikt mit Friedrich I. (1122-1190), dem Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, dem er zu mächtig wurde, weil der Welfenherzog sogar die Festungen in Segeberg und Plön eroberte, die eigentlich den Schauenburger Grafen gehörten.
Aus der Anzahl und der einheitlichen Ausführung der gefundenen Keramik kann geschlossen werden, dass die Burg nicht lange bewohnt wurde. Ob es sich beim Ende der Burg um eine Brandkatastrophe oder um einen Brand in Verbindung mit der Schlacht von Bornhöved im Jahr 1227 handelt, ist noch ungewiss.
Sicher scheint, dass die Herren von Pridelo (Prodole) in der Ritterschaft der Schauenburger Grafen aufgingen. Man sagt, dass Benedictus von Prodole der Stammvater des Adelsgeschlechts von Ahlefeldt, und Scacco der Stammvater derer von Rumohr wurde.

Lage der Burg im Stolper See (Philipp Lüth)

Und – sicher ist auch, dass die slawische Burg im Stolper See der Vorgängerbau

des Gutes Perdoel war.

Die neuesten Forschungsergebnisse entstammen der Dissertation von Philipp Lüth, dem zuständigen Wissenschaftler an der Christian-Albrechts-Universität, Institut für Vor- und Frühgeschichte, die er uns freundlicherweise zur Verfügung stellte.

Bildnachweise;

  1. Artikel aus den Kieler Nachrichten
  2. Sonderdruck der Arbeitsgemeinschaft Submarine Arcäologie e.V. – (Zwischenbericht) Band 1 1980
  3. Forschungstaucher der C.A.U. im Verlauf des Projekts
  4. Lage der Burg nach Philipp Lüth