Das Alters- und Pflegeheim Stolpe
nach Erzählungen von Rosemarie Ehlers geb. Wehde
Das Alters- und Pflegeheim mit 42 Plätzen wurde von Gut Depenau um 1877 gebaut und später vom Pflegeheimzweckverband Stolpe, Depenau und Wankendorf unterhalten.
Von ca. 1930 bis 1944 war Johannes Wehde Hausvater im Altersheim. Seine Frau Marie war bereits 1936 gestorben.
Er kümmerte sich um die Heimbewohner. Das Pflegeheim sollte für alle Bewohner wie eine große Familie sein.
Das Grundstück reichte heran bis an den Wiesenweg und schloss dort mit einem Knick ab. Rund um das Grundstück verlief ein Weg, auf dem die Bewohner spazieren gehen konnten. Im Hof standen Bänke zum Ausruhen. Auf der anderen Seite grenzte das Grundstück an den Hof Strehk. Es gab keinen Zaun zwischen Strehk und dem Altersheim.
Im Altersheim gab es verschieden große Räume. Die bettlägerigen Bewohner lagen im großen Schlafsaal. Meist waren 4 bis 5 Betten in einem Raum aufgestellt. Es gab aber auch Zweier- und Einzelzimmer.
Außer dem Hausvater gab es so gut wie kein Personal im Pflegeheim. So mussten die Bewohner je nach ihren Fähigkeiten selbst mit anpacken.
Die Frauen besserten die Wäsche aus, wuschen die Wäsche hinten im Stall in den großen Waschkesseln an der Grenze zu Strehk. Außerdem fertigten sie Handarbeiten an wie z. B. Stickereien.
Oma Vöge hatte ein Einzelzimmer. Sie war sehr ordentlich, flickte die Wäsche aus und nähte mit der Nähmaschine.
Andere halfen im Garten oder schälten Kartoffeln. Wieder andere saßen in der Speisekammer und schmierten am langen Tisch Brote.
Max und Karl Rogalf zogen mit dem Handwagen los und holten Brote von der Bäckerei Brauer in Stolpe oder der Bäckerei Bauer in Wankendorf.
Im Stall im hinteren Teil des Grundstücks hielt man Schweine. Sie wurden mit dem Drank gefüttert, der vom Tisch übrig blieb. Die Schweine wurden geschlachtet und zu Wurst verarbeitet.
In der Kriegszeit gab es Bezugsscheine, auch für Kleidung und Schuhe. Die besorgte man bei Opa Lindemann in Wankendorf.
Nahrungsmittel wurden in den vielen Läden von Stolpe und Wankendorf eingekauft. Haushaltswaren kaufte man bei Wieck in Wankendorf.
Aus Neumünster kam regelmäßig ein Lieferwagen, der Säcke Mehl und Zucker brachte.
Puppe Mi, wie sie genannt wurde, war 40 Jahre alt. Sie hatte Klumpfüße und war gehbehindert. Jeden Tag fuhr sie ihre Puppen im Kinderwagen aus.
Frau Pelk aus Schönberg wurde von ihren Kindern, nachdem ihr Haus abgebrannt war, ins Armenhaus gegeben.
Rudolf Kloth spielte bei der Heirat von Hugo und Lieselotte Wehde Musik auf der Mundharmonika. Wenn das Radio Musik spielte, sagte er: „Hier spielt Musikdirektor Kloth!“ Er glaubte, dass, wenn er vor dem Radio spielte, alle es überall hören konnten.
Walter Buddel war ein Patient, der nicht sprechen konnte. Er hatte große Augen, sodass sich die Kinder vor ihm fürchteten. Er konnte nur das eine Wort sagen: „Buddel, buddel“. Die alte Kathrin mit ihrem großen Umschlagtuch ging immer im Laden von Frau Speckin einkaufen. Tochter Lieselotte Wehde hatte zu Elli ein besonderes Verhältnis. Zu Weihnachten und an Geburtstagen schenkte sie ihr eine Kleinigkeit. Um ihr das Geschenk für Weihnachten zu übergeben, hatte sie Elli nach Wankendorf bestellt. Nachdem Lieselotte 5 Minuten zu spät angekommen war, sagte Elli zu ihr: „Ich warte hier auf eine Frau Wehde, die will mir etwas zu Weihnachten schenken.“ Sie glaubte nicht, dass Lieselotte es selbst war.
Zum Ehepaar Strehk hatten die Bewohner ein freundliches Verhältnis. Sie halfen dort auf dem Hof aus oder hängten Wäsche auf.
Überhaupt gehörten die Bewohner des Pflegeheims in Stolpe einfach dazu.
Als die Nazis in der Zeit des Dritten Reiches ihre Aufmärsche von Wankendorf nach Stolpe unternahmen, mussten die Heiminsassen im Garten an der Straße anstehen und den Hitler-Gruß zeigen. Einige Heimbewohner verstanden nichts. Sie schauten den Aufzug der Nazis mit Interesse an. Ein Stolper ging zu ihnen, schlug sie ins Gesicht und stellte ihre Hand zum Hitler-Gruß nach oben. Das wurde ihm von vielen Menschen übel genommen.
Als Johannes Wehde 1944 in der Speisekammer einen tödlichen Herzinfarkt erlitt, kam Rudolf Kloth bei Lieselotte Wehde angelaufen: „Ich soll ‚ne schreckliche Nachricht überbringen. Der Herr ist in der Spiesekammer umgefallen!“
Danach leitete Erich Riecken mit seiner Frau das Pflegeheim,
Das Ehepaar Quadfasel waren schließlich die letzten Pächter des Altersheims.
1974 wurde der Zweckverband aufgelöst und die Trägerschaft ging auf das Amt Wankendorf über. Die nicht mehr zeitgemäßen sanitären Anlagen, pro Flur eine Toilette und ein Waschbecken mit kaltem Wasser, ließen einen weiteren Betrieb nicht mehr zu. Die Anzahl der Bewohner war schon von 40 auf 20 reduziert.
Durch den Plan und Bau des Alten- und Pflegeheims in Wankendorf im Jahr 1978 wurde die Einrichtung aufgelöst. Die Heiminsassen, die über Geld verfügten, gingen nach Wankendorf, so wie Elli und Grete. Die, die über kein Kapital verfügten, wie Max und Karl mussten nach Plön und Ruhleben gehen.
Das Alters- und Pflegeheim Stolpe war Geschichte und wurde an privat verkauft. Heute sind im Haus Wohnungen ausgebaut, darunter eine Ferienwohnung.