Eine späte Baderin
Es ist der Morgen des 15. Oktober 2011. Raureif liegt auf dem Gras der Badestelle. Und über dem Südteil des Stolper Sees steigt der weiße Nebel in Schwaden auf. Immer weiter nach Norden wabern die weißen Nebelschleier, ist doch der See mit 12° C Wassertemperatur weitaus wärmer als die darüber liegende Luft. Diese ist frisch, höchstens zwei Grad über Null.
Die Sonnenscheibe ist noch gar nicht über den Bäumen am gegenüberliegenden Ufer erschienen, doch die Farbe des Himmels wechselt langsam vom dunkleren Blau ins Gelb.
Da kommt, mit weißem Bademantel angetan, Elfriede Schildknecht, 82 Jahre alt, zu ihrem morgendlichen Bad. Schnell steigt sie in ihre rosa Badesandalen, das Badethermometer in der Hand, und geht raschen Schritts über den Raureif zum Wasser hinunter. Weit hinaus schwimmt sie. In der Ferne greifen die weißen Nebelschwaden nach ihrer Silhouette. Die Luft liegt diesig über dem sepiafarbenen Wasser.
Graugänse ziehen über dem See ihre Bahn, und ihre rauen Schreie begleiten die einsame Schwimmerin, und überall auf dem See rundherum die konzentrischen Ringe der laut springenden Fische.
Erst, als ihr Kopf kaum noch auszumachen ist, kehrt sie um, kommt mit raschen Stößen der Arme zurück zum Ufer geschwommen.
Wie Equoranda, die keltische Wassergöttin, steigt sie aus dem kühlen Nass, glücklich über das Bad an diesem schönen und kalten Morgen.
Dann steigt der Sonnenball auf, mit unglaublicher Geschwindigkeit, wirft seine goldenen Strahlen über den See und entlässt uns in einen neuen herrlichen Oktobertag.