Große oder kleine Glocke
Jungfräulich? Lasterhaft?
Die Kirche als Wächterin von Sitte und Moral
von Gerhard Schlüter
Schaut man sich z.B. die Seite 12 des Copulationsregisters der Kirchengemeinde Bornhöved, Jahrgang 1752 an, dann findet man unter dem 5. November folgende Eintragung:
„Hans Tietgen und Anna Catharina Löhndorfen vitiata v. Stolp“
Außer „vitiata“ finden wir auf der Registerseite bei anderen Eintragungen auch den Vermerk „Mägden“ oder „Witwe“.
Was bedeutet „vitiata“? Im Fremdwörterlexikon heißt es: „Vitiata, vitiös – fehlerhaft, lasterhaft, bösartig.“
Welchen Fehler, welches Laster mögen die jungen Bräute gehabt haben, die man im Kirchenbuch mit dem Zusatz „vitiata“ bedachte?
Einige Anmerkungen zum Brauchtum damaliger Zeit:
Wenn eine Braut nicht mehr als Jungfrau in den Stand der Ehe trat, durfte sie als Kopfschmuck auf dem Brautschleier keinen geschlossenen Myrtenkranz tragen, er musste offen sein, und auch wurde während der Trauungszeremonie in der Kirche nur die kleine Glocke geläutet, nicht die gro0e.
Die folgende kleine Geschichte bietet sich an, hier erzählt zu werden:
Als wieder mal ein junges Brautpaar zum vorbereitenden Gespräch beim Pastor im Amtszimmer sitzt, fragt dieser die jungen Leute: „… und wie ist es, soll die große Glocke läuten oder die kleine?“ Darauf meint der Bräutigam. Lassen Sie man die große läuten. Sie können ja mit der kleinen so’n bisschen dazwischen bimmeln.“