Keine Schule ohne dienstbare Geister

1939 – 1990

An das Schicksal der Stolper Schule eng verknüpft ist das einer Stolper Familie: Gerd Siebels, seiner Frau Hilda, sowie deren Sohn Gerhard mit Frau Marianne.
Über Jahrzehnte sorgte Familie Siebels dafür, dass der Schulunterricht in Stolpe immer reibungslos ablaufen konnte.

Gerd und Hilda Siebels auf Amrum
Gerd und Hilda Siebels auf Amrum

Hilda Siebels geb. Steen war die gute Seele der Stolper Schule von 1939 bis 1972, bis ihre Schwiegertochter Marianne sie ablöste.

Hinter der alten Schule, die 1956 abgerissen wurde, stand ein langer Stall. In der Mitte waren die Plumpsklos für die Jungen und die Mädchen untergebracht, die mit Steinen aufgemauert waren, und deren übel riechender Inhalt mehrfach im Jahr von Stolper Bauern entsorgt wurde.
Unten im Stall lagerten die Kohlen, während auf dem Boden das Holz für die Feuerung aufbewahrt wurde. Es wurde einmal im Jahr, schon fertig gespalten, mit Pferd und Wagen angeliefert. Hildas Mann Gerd und die ganze Familie mussten zupacken, um das Holz abzuladen, auf den Trockenboden zu werfen und dort aufzuschichten. Der Boden war nur mit einer Leiter erreichbar.

In der Schule standen in den zwei Klassenräumen je ein großer Kanonenofen von je 2 m Höhe und 80 cm Breite. Diese Öfen duften im Winter niemals ausgehen. Das war die Aufgabe von Gerd Siebels. Abends um 23 Uhr legte er noch einmal Kohlen nach. Und bevor er morgens mit der Kleinbahn zur Arbeit nach Kiel fuhr, musste er die Öfen, die bis dahin die Glut gehalten hatten, wieder anfeuern, denn die Schüler durften nicht frieren. Die Kohlen und das Holz mussten dafür allmorgendlich aus dem Stall geholt werden.

Zudem oblag es der Familie Siebels den Schulhof eis- und schneefrei, sowie laubfrei zu halten. Das war bei der Menge des Laubes der damals schon fast 100jährigen Linden auf dem Schulhof eine Sisyphusaufgabe. „Schneefrei“ bedeutete auch, dass Gerd Siebels morgens um 4 Uhr den Schulhof von Schnee und Eis räumen musste, wenn es in der Nacht geschneit hatte. Und in diesen Wintern in den 40er und 50er Jahren schneite es viel…

Hilda Siebels 1988
Hilda Siebels im Alter

Hilda Siebels säuberte hingegen nachmittags die Schule. Die Tische wurden in einer Reihe hochgeklappt, so auch gleichzeitig die Holzroste, auf denen die Füße der Kinder standen, und der Holzfußboden wurde gefegt. So ging es Reihe für Reihe in den damals überfüllten Klassenräumen. Und natürlich wurden die Tische Reihe für Reihe auch wieder heruntergeklappt, damit alles wieder bereit für den Unterricht am nächsten Morgen war, wozu natürlich auch gehörte, dass die Tafeln jeden Tag blitzblank gewischt wurden.

In festen Abständen mussten die Holzfußböden mit Spezialöl eingeölt werden, damit der Dreck besser aufgenommen werden konnte.
Auch die Gardinen an den großen Fenstern der alten Schule musste Hilda Siebels abnehmen, waschen, stärken, nach dem Trocknen bügeln und wieder aufhängen.

Beim Neubau der Schule wurde 1956 in den Keller ein Koksheizkessel eingebaut. Auch diese Koksheizung musste im Winter Tag und Nacht beheizt werden. Das Wasser für die Zentralheizung, aber auch für die gesamte Wasserversorgung der Schule, kam aus einem Tiefbrunnen, dessen Lage direkt vor der Treppe des neuen Schulgebäudes war. An diesen Tiefbrunnen waren auch noch die wenigen damals bestehenden Häuser an der Dorfstraße südlich angeschlossen, wie z.B. die Bäckerei. Es gab nämlich noch keine zentrale Wasserversorgung in Stolpe. Die Versorgung des nördlichen Dorfteils durch Schmied Kröger und später Uwe Stender reichte nicht bis an die Schule heran. Der Wasserdruck reichte nicht für so viele Häuser.

Das Wasser des Tiefbrunnens an der Schule musste stets gefiltert und enteist werden, denn das Wasser hatte einen starken Eisenanteil und wäre somit braun aus der Wasserleitung gekommen. Gerd Siebels Aufgabe war es auch diesen Brunnen zu betreuen und die Filter immer wieder zu spülen, damit sich das Eisenoxid nicht darin festsetzen konnte.

Letzte Arbeiten
Hier muss der Tiefbrunnen gewesen sein

Im Keller der neuen Schule gab es nicht nur den Raum für die Koksheizung und den Kokskeller, sondern auch einen Gemeinschafts-Duschraum mit 9 Duschen und einen Umkleideraum. Dies war dafür gedacht, dass sich die Schüler nach dem Sport duschen sollten. Aber, da viele Häuser noch kein Bad eingebaut hatten, wurden Duschzeiten eingerichtet, getrennt für Männer und Frauen. So konnten viele Stolper bis zum Ende der 50er Jahre wöchentlich einmal ein Duschbad nehmen. Auch diese öffentlichen Duschzeiten wurden von Gerd und Hilda Siebels betreut. Der Wasserkessel wurde vorher aufgeheizt. Eine Art Thermostat sorgte dafür, dass das Duschwasser immer die gleiche Temperatur hatte. Sie kassierten auch den Obolus von ungefähr 1 DM pro Duschgang und leiteten es an Bürgermeister Claus Wiggers weiter.

Natürlich gehörte anschließend die gründliche Reinigung der Duschräume, deren Wände mit grüner Ölfarbe gestrichen waren, durch Hilda Siebels dazu.
Zuerst blieben die Damen dem gemeinsamen Duschen fern (1957/58), da es ihnen unangenehm wurde, gemeinsam mit den anderen Frauen zu duschen. Die Männer benutzten die Gemeinschaftsduschen weiterhin. Die Duschen sind heute nicht mehr im Keller vorhanden. Die Koksheizung wurde jedoch gegen einen Gas-Durchlauferhitzer ausgetauscht.

Kellereingang
Kellereingang früher wie heute

Von 1972 bis 1990 übernahm Schwiegertochter Marianne Siebels die Reinigung der Schule. In den Anfängen gab es für die Reinigungskraft, die für ihre Utensilien einen kleinen Raum hinter den Schülertoiletten zur Verfügung hatte, kein fließend heißes Wasser. Sie musste noch ihr Putzwasser in einem 10 l – Zinkeimer mittels eines großen Tauchsieders erwärmen, der 5 – 6 Spiralen hatte. Eine mühsame Arbeit. Und bis der Wankendorfer Bauhof die Schneeräumung auf dem Schulhof übernahm, war es die Aufgabe von Gerhard Siebels, des Sohnes von Gerd Siebels, den Schulhof eis- und schneefrei zu halten, vor seinem eigentlichen Tageswerk.

1990 übernahm dann der Bauhof die Arbeiten auf dem Schulhof, die vorher Gerd und Gerhard Siebels übernommen hatten. Andere Reinigungskräfte wurden in rascherem Wechsel eingestellt.
So ging nach über 51 Jahren die Ära der guten Geister an der Stolper Schule zu Ende.

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