Die vier Schwestern
Eine moderne Sage
Es war vor vielen, vielen Jahren in Stolpe, da lebten daselbst vier Schwestern, eine schöner als die andere. Ihr Haar war rot und lockig, ihre Augen grün mit je einem schwarzen Punkt darin, und ihre Haut war rosig wie die von Apfelblüten. Sie hießen Dorothea, Magdalena, Elisabeth und Catharina.
Ihre Eltern, der Weber Hans Löhndorpen mit seiner Frau Elsabe, waren betrübt, als sie die roten Haare ihrer Töchter sahen, denn der Vater hatte blondes und die Mutter braunes, lockiges Haar, das aber von all der Arbeit und Plackerei stumpf geworden war.
Die vier Mädchen gediehen prächtig, und von überall hörte der Hans Löhndorpen das Lob ob seiner Töchterschar. Doch seine Frau machte sich zunehmend Sorgen, wenn sie die begehrlichen Blicke der jungen Männer des Dorfes auf ihren Vieren ruhen sah. Und so war es kein Wunder, dass die Älteste, Dorothea, anfing, ihre Kleider glatt zu streichen und darauf achtete, dass ja kein Schmutzfleck auf ihnen verblieb. Des Sonntags wünschten sich alle vier Mädchen einen grünen, seidig schimmernden Stoff zu tragen, der besonders gut zu ihren grünen Augen zu passen schien. Ja, auf dem langen Weg zur Kirche nach Bornhöved, fingen sie an, darauf zu schauen, dass ja die Burschen ein Auge auf sie warfen. Und das war nicht zu knapp.
Die Eitelkeit nistete sich ein in ihren kleinen Köpfen, so sehr die Mutter sie auch ermahnte, anständige Mädchen zu bleiben, auf dass bei ihrer Hochzeit die große Glocke geläutet werden könne.
Auch dem Teufel war es nicht entgangen, dass sich die Eitelkeit in den vier Schwestern breit machte. Und so sah er den Augenblick gekommen, sich ihrer armen Seelen zu bemächtigen.
Die Kate des Webers Löhndorpen lag in der Nähe des Kirchensteiges, der von den Meierhöfen Horst und Bundhorst hinter dem Stolper See an der Depenauer Mühle vorbei zum Dorf Stolpe und weiter über Wankendorf nach Bornhöved führte.
Am Sonntagnachmittag, wenn die Arbeit im Dorf ruhte, und die Eltern sich einen Mittagsschlaf gönnten, gingen die vier Mädchen stets ein Stück des Kirchensteigs in Richtung Depenauer Mühle spazieren. Sie trugen ihre Sonntagskleider, hatten ihre Locken gebürstet und mit Schleifen herausgeputzt.
Der Teufel lauerte ihnen in Gestalt eines hübschen Jünglings von edlem Stand auf. Er kam von Depenau herbei geschlendert, verbeugte sich tief, als sich ihre Wege trafen und lobte den wunderschönen Anblick, den die vier Schwestern boten. Die Mädchen blickten beschämt zu Boden, aber die Älteste wagte doch einen verschämten Blick zu dem jungen Herrn. Dann gingen sie ein jeder ihrer Wege. Und als sich die Schwestern nach einer angemessenen Zeit umblickten, war der Fremde verschwunden.
In der Woche tuschelten sie heimlich über ihren jungen, edlen Verehrer, und als der Sonntagnachmittag, der erste im Juni wiederkam, sah man die vier Schwestern wieder im schönsten Sonntagsschmuck einher stolzieren. Und tatsächlich lauerte ihnen der Teufel wieder in der Gestalt des edlen Jünglings auf. Nach seiner artigen Verbeugung begann er der Ältesten, Dorothea, ohne Umschweif den Hof zu machen. Sie war hingerissen zwischen ihrer Scheu und dem Stolz, einem solchen Manne zu gefallen. Dies wiederholte sich an jedem Sonntagnachmittag im Juni. Die Eltern bekamen von all dem Treiben nichts mit, denn sie hielten weiter ihren Nachmittagsschlaf, und die Schwestern hielten zusammen wie Pech und Schwefel.
Doch der Teufel hatte mehr im Sinn. Er wollte nicht nur Dorotheas Seele, sondern auch die ihrer jüngeren Schwestern. Und so fing er an, mit jeder von ihnen einmal anzubändeln. So säte er die Saat der Eifersucht unter ihnen aus.
Sie begannen sich heimlich gegenseitig zu beobachten, um heraus zu bekommen, wer von ihnen die schönste und attraktivste sei. Und eine jede legte für den Sonntagsspaziergang ihre beste Ausstattung an.
Als der Teufel sah, dass seine Saat Früchte trug, steckte er ihnen einzeln Zettelchen zu, um sich mit ihnen des Abends nach Feierabend heimlich zu treffen, diesmal allerdings mit jeder allein.
Die vier Schwestern, die bisher alles gemeinsam getan hatten, begannen Heimlichkeiten gegeneinander auszutragen. Und Eifersucht breitete sich unter ihnen aus.
An einem Donnerstagabend im Juli bemerkten die drei jüngeren, dass sich Dorothea heimlich den Sonntagsstaat anzog, um sich vom Hof zu stehlen, während die Eltern sie bereits zu Bette wähnten.
Magdalena, Elisabeth und Catharina stellten sich schlafend, und nachdem ihre Schwester das Haus verlassen hatte, folgten sie ihr heimlich nach. Sie fanden ihre Schwester am Weg, ein wenig hinter dem Knick versteckt, zusammen mit dem jungen Mann, wie sie heftige Küsse mit ihm austauschte. Der Jüngsten, Catharina, entfuhr ein geflüstertes „Heilige Maria und Josef!“ Und in diesem Augenblick sah sie, mit wem sich ihre Schwester wirklich einließ, denn sie sah den Teufel mit Hörnern und Bocksfuß, wie er ihre arme Schwester küsste. Sie schrie auf: „Dorothee, das ist der Teufel, mit dem Du Dich einlässt!“
Der Teufel, der die Namen Maria und Josef vernommen hatte, wusste, dass er enttarnt war. Er ließ ein fürchterliches Gebrüll von sich, das man im ganzen Dorf Stolpe hören musste. In seiner übergroßen Wut verwandelte er die vier Schwestern in vier Weidenbäume und flog auf einem Feuerstrahl auf und davon.
Noch heute stehen die vier Weiden nahe beieinander am alten Kirchensteig. Und geht man in der Dämmerung bei Regen und Wind dort auf dem Kirchensteig spazieren, so kann man ihre Seufzer heute noch vernehmen.