Das Schleswig-Holsteinische Eiszeitmuseum von Stolpe über Bordesholm nach Lütjenburg – D. Petter 2015

Das Schleswig-Holsteinische Eiszeitmuseum – von Stolpe über Bordesholm nach Lütjenburg

Von Dietrich Petter

Aus: Jahrbuch für Heimatkunde im Kreis Plön, 2015, S. 222 – 227

Das Eiszeitmuseum in Stolpe 1999-2002

Das Schleswig-Holsteinische Eiszeitmuseum hatte in seiner relativ kurzen Geschichte bereits mehrere Ortswechsel zu bewältigen. Das Museum wanderte jedoch ausschließlich durch die Region Schleswig-Holsteins, in der die letzten Eiszeiten ihre Spuren am deutlichsten hinterlassen haben und dieses Wirken mit den drei höchsten Erhebungen Schleswig-Holsteins (Bungsberg 167 m, Strezer Berg 130 m, Pilsberg 128 m) mit eindrucksvollen Steilufern an der Ostseeküste und mit den zahlreichen Seen der Holsteinischen Schweiz seinen besonderen Ausdruck gefunden hat.

Die Idee zur Gründung eines Eiszeitmuseums – des ersten deutschen  Eiszeitmuseums – wurde auf einem Geschiebesammler-Treffen am 15. Oktober 1994 in Sielbek bei Eutin unter maßgeblicher Beteiligung von Dr. Frank Rudolph, Diplom-Biologe, entwickelt. Dieses Treffen führte zur Sammlung von Mitstreitern und zur Gründung eines „Fördervereins Schleswig-Holsteinisches Eiszeitmuseum“ und brachte erste Ansätze für die Errichtung eines solchen Museums. Es waren knapp 20 Gründungsmitglieder, die den Verein aus der Taufe gehoben haben. Der Vorstand wurde im Oktober 1994 aus folgenden Personen gebildet:

  1. Vorsitzender:

Dr. Frank Rudolph, Wankendorf, Diplom-Biologe (Paläobiologe) und Verleger

  • Vorsitzender:

Lutz Förster, Süsel, Grund- und Hauptschullehrer, Leiter der Geschiebesammlergruppe Ostholstein und Exkursionsleiter

       Beisitzerin: Ulrike Geltz, Hamburg, Biologie-Studentin in Berlin

       Kassenwart: Tim Haye, Heiligenhafen, Biologie-Student in Kiel

       Schriftführer: Andreas Montag, Hamburg, Geologie-Student

Nach den Vorstellungen des Gründerteams sollte das Museum alles Wesentliche und wissenschaftlich Bedeutende zur eiszeitlichen Entstehung des Landes Schleswig-Holstein zeigen und über seinen erdgeschichtlichen Aufbau sowie über Arten und Herkunft der die Landschaft prägenden Moränen und Sander mit ihren „Geschieben“ (Gesteine, Mineralien, Fossilien, Findlinge) Auskunft geben. Unterstützung bei der Errichtung des Museums wurde von mehreren Seiten zugesagt, z.B. von offiziellen Stellen des Landes Schleswig-Holstein, von kommunaler Seite, mehreren anderen Museen und Vereinen, sowie zahlreichen Sammlern, die sich der Idee verbunden fühlten. Zur Bildung des Grundstockes des Museums wurden dem Gründungsverein mehrere große Sammlungen in Aussicht gestellt, so dass ein Potential zur Errichtung von Schau-, Lehr- und Archivsammlungen vorhanden war. Für die Finanzierung sollten „öffentliche Gelder“ beantragt, Sponsoren gefunden und Spenden eingeworben werden – der Förderverein wollte seine Vereinsmittel (Mitgliedsbeiträge und Spenden) beisteuern.

Als ersten Standort stellte sich der Förderverein das Dorf Kreuzfeld bei Malente im Kreis Ostholstein vor. Dieser Idee lag zugrunde, dass der Ort zum einen inmitten der Grund- und Endmoränen sowie Binnensander des ostholsteinischen Hügellandes liegt und zum anderen mit der hier betriebenen Kiesgrube gute Einblicke in die Erdgeschichte des Landes bietet. Diese Kiesgrube in Kreuzfeld gilt darüber hinaus bis heute als bedeutendste Fundstelle für Geschiebefossilien in Schleswig-Holstein. In der Nähe der Kiesgrube existierte bereits seit 1991 ein Findlingsgarten, dessen Umgebungsbereich als Wunschstandort für das Eiszeitmuseum galt. Man erhoffte sich auch von der Lage des Ortes inmitten der Tourismus-Region „Holsteinische Schweiz“ und unweit der Ostseeküste einen guten Besucherzustrom.

Am Ort Kreuzfeld konnte der Museumsstart – auch aufgrund der zu erwartenden Kosten in Höhe von 1,6 Millionen DM – nicht verwirklicht werden, zahlreiche weitere Versuche, einen geeigneten Standort für das Museum zu finden und eine überschaubare Finanzierung zu erreichen, schlugen über längere Zeit fehl.

Eiszeitmuseum in Stolpe 1999 bis 2002

Im September 1998 kam jedoch der große Durchbruch. Im Rahmen einer kleinen Ausstellung über Eiszeit und Geschiebe in der Museumswerkstatt der Volkshochschule Wankendorf entstand der Kontakt zur Firma re-natur GmbH,  einer Unternehmensgruppe, die über Gartenteiche, bewachsene Dächer, Sumpfbeet-Klärstufen, biologischen  Pflanzenschutz und andere Bereiche „ein Stück Natur zurück holen will“. Auf dem Firmengelände in Stolpe (Kreis Plön) bot sich die Möglichkeit, in einem  100 Jahre alten Bauernhof (Am Pfeifenkopf 9) das Museumsprojekt zu verwirklichen. Ein Ausstellungsraum von ca. 200 qm Fläche sowie ein Seminarraum mit Küche und WC-Anlagen standen zur Verfügung. Sogar eine Cafeteria war vorhanden und lud zum gemütlichen Aufenthalt ein. Der Geschäftsführer der Firma re-natur, Paul Schwedtke, stellte ab Herbst 1998 Firmenräume und Gelände der Fa. re-natur/ „Aqua Terra“ für das erste Jahr kostenlos zur Verfügung. So konnte das  „Schleswig-Holsteinische Eiszeitmuseum“ nach intensiver Vorarbeit der Vorstands- und Vereinsmitglieder am Ostersonntag, den 3. April 1999, mit mehreren Ausstellungsmodulen in Stolpe eröffnet werden. Außer Dr. Frank Rudolph und Paul Schwedtke gehörte auch der Bürgermeister der Gemeinde Stolpe, Holger Bajorat, zu den Geburtshelfern des Eiszeitmuseums in Stolpe – die Museumslandschaft wurde damit auf 190 Museen erhöht.

Der Ort Stolpe liegt zwar nicht – wie Kreuzfeld – inmitten, sondern nur am Rande der „Holsteinischen Schweiz“; die Museumsgründer konnten der Lage des Ortes , aus Sicht der Geologie im „Bornhöveder Zungenbecken und am Rand eines Schmelzwasserabflusstales“ und aus Sicht der Verkehrsanbindung, an der B 404 bzw. A 21, dennoch viel abgewinnen. Zu Beginn des Museumsbetriebes in Stolpe, wurde der Museumsverein von Dr. Frank Rudolph, Wankendorf, als erstem Vorsitzenden und Lutz Förster, Malente, als zweitem Vorsitzenden geleitet, zum Schriftführer war Christian Baer aus Wankendorf gewählt worden.

Zur Ausstattung des „ersten Eiszeitmuseums“ gehörten im Innenbereich viele Glasvitrinen mit Gesteinen und Fossilien zur Darstellung der erdgeschichtlichen Entwicklung der Landschaft seit 12 000 Jahren und eine „Geologische Wand“, die den Aufbau der Erdkruste zeigte.

Die Nachbildung einer Steinzeitfrau sowie des einäugigen Zyklopen Polyphemos sollten eine Brücke zur Archäologie und Mythologie schlagen. Speziell für Kinder wurden ein Steine-Puzzle, ein 2 m hoher Steckmammut zum Zusammensetzen, eine Mal-Ecke, eine Steinzeithöhle, ein steinzeitlicher Klopfplatz und eine Mammutrutsche eingerichtet. Im Außenbereich gab es ein teilweise überdachtes, durch eine „tektonische Wand“ abgegrenztes, Wind geschütztes „sonniges Klassenzimmer“ für die Arbeit mit Schulklassen. Weiterhin gab es hier einen Findlingsgarten, einen eiszeitlichen Landschaftsgarten. Nachbildungen von eiszeitlichen Tieren z.B. ein Mammutskelett, ein Wollhaarnashorn, einen Moschusochsen und ein Einhorn,  zur Bordesholmer Zeit auch einen Höhlenbären. Vervollständigt wurden die Anlagen durch eine Sandgrube, die zur Ausgrabung von Mammutknochen einlud und ein Rentierjägerzelt, das aus Mammutknochen und Rentierfell erstellt und mit einer Rentierjägergruppe ausgestattet wurde.

Am 1. März 2001 wurde in den Räumen des Eiszeitmuseums das bereits unter der Regie der Firma re-natur bestehende Café unter  der Leitung von Elke Bestmann, Ruhwinkel, neu eröffnet.

Das museumspädagogische Programm des Museums richtete sich an alle erdgeschichtlich und steinzeitlich interessierten Personengruppen aller Altersklassen. Das Programm umfasste geologisch ausgerichtete Aktivitäten, wie z.B. Gesteine und Fossilien bestimmen, Fossilien gießen und präparieren, Bernstein schleifen, Gold waschen, Ausgrabungen und Erdformungen nachahmen. Es wurden aber auch geographisch und biologisch ausgerichtete Themen bearbeitet, wie die Erdgeschichte und die Geographie Schleswig-Holsteins und die Geschichte des Lebens auf der Erde.

Weiterhin gehörte Getreide mahlen und die Zubereitung von steinzeitlichem Essen mit zum Programm.

Es wurden Vorträge, Seminare, Exkursionen, Sammlertreffen, Theater-  und Musikaufführungen angeboten, sowie Fossilien- und Mineralienbörsen, Sonderausstellungen, Märkte (Herbst- und Weihnachtsmärkte, Skandinavische Märkte) und Kindergeburtstage ausgerichtet.

Mit vielgestaltigen Seminaren, Workshops, Demonstrationen und Werkstattarbeit für Kinder, Schüler und Jugendliche zum Thema Steinzeit hat von Museumsbeginn Thomas Heuck, ehrenamtlicher Mitarbeiter des Landesamtes für Früh- und Vorgeschichte Schleswig und experimenteller Archäologe,  die Museumsarbeit bereichert („Steinzeit zum Anfassen“, Steinzeitwerkstatt, Herstellen von Werkzeugen, Geräten und Waffen).

Weiterhin wurde das Eiszeitmuseum durch zwei ABM-Kräfte, durch Praktikanten/innen im Rahmen einer studienvorbereitenden oder studienbegleitenden Tätigkeit, durch Teilnehmerinnen am FÖJ, durch Mitarbeiter der Firma re-natur und durch zahlreiche ehrenamtliche Helfer/innen aus den Reihen der Vereinsmitglieder unterstützt.

Insbesondere ist in diesem Zusammenhang auch die Lehrerin Dr. Jutta Solcher zu nennen, die das Programm des Museums mit ihrem erdgeschichtlichen Singspiel  „Archi und Uri, zwei Freunde reisen durch die Zeit“ bereichert hat. Das Singspiel wurde von einer Hamburg-Wilhelmsburger Grundschulklasse (4. Klasse) zum Termin der Museumseröffnung aufgeführt, es wurde sogar im Rundfunk und im Fernsehen darüber berichtet. Frau Dr. Solcher steuerte auch ein Groß-Poster über die Entwicklung des Lebens und der Erde bei, das von ihr entworfen, unter ihrer Anleitung angefertigt wurde und heute noch in Lütjenburg-Nienthal zu sehen ist.

Bereits nach einem Jahr (April 2000) gab es wesentliche Veränderungen hinsichtlich Vereinsstatur und in der Zusammensetzung des Vorstandes. Der Förderverein wurde in einen Trägerverein umgewandelt und der erste Vorsitzende Dr. Frank Rudolph trat von seinem Amt aus beruflichen und privaten Gründen zurück.

Zum neuen ersten Vorsitzenden wurde Christian Baer, kaufmännischer Angestellter aus Wankendorf, gewählt. Lutz Förster, Lehrer aus Malente, verblieb im Amt des zweiten Vorsitzenden. Zum Kassierer wurde Hans-Jürgen Hoffmeister, Hobby-Geologe aus Kiel, zum Schriftführer Dr. Michael Siemann, Arzt aus Postfeld, gewählt. Die Jahreshauptversammlung des Jahres 2000 wählte weiterhin drei Mitglieder in die Ämter eines Beisitzers/einer Beisitzerin:

Paul Schwedtke, Geschäftsführer der Firma re-natur, Stolpe; Klaus Willhöft, Anlagenmechaniker aus Bad Segeberg; Nele Goetz aus Bornhöved.

Im Laufe der weiteren Jahre gehörten den Vorständen auch der Stolper Bürgermeister Holger Bajorat und zeitweise die Geologen Johannes Jannsen, Dr. Bernhard Lapp und Dr. Gerald Kopp an. Die beiden Letztgenannten wirkten in der Anfangszeit auch als Museumsbetreuer mit, Herr Dr. Lapp bis zum 31.10.2001. Dr. Gerald Kopp wurde dann als Nachfolger von Dr. Frank Rudolph, der sowohl die Funktion des Vereinsvorsitzenden als auch die des Museumsleiters eingenommen hatte, ab dem Jahre 2000 zum wissenschaftlichen Leiter des Eiszeitmuseums bestellt. Die Mitgliederzahl des Förder-, dann Trägervereins wuchs von 15 bis 20 zur Gründungszeit auf rund 150 bis 200 zu Ende der „Stolper Zeit“ an und entwickelte sich auf rund 150 bis 120 zur „Bordesholmer Zeit“ des Museums zurück.

Bis Ende des Jahres 2002 – für 3 ¾ Jahre – blieb das Eiszeitmuseum in Stolpe im Hause der re-natur GmbH . Eine Fortdauer des Museumsbetriebes war nicht weiter möglich, da es wegen zunehmender Besucherzahlen (bis 25 000 pro Jahr) und fehlender Entwicklungsmöglichkeiten (Pacht bzw. Mietverträge von Jahr zu Jahr) zu Konflikten mit  dem gastgebenden Wirtschaftsbetrieb kam – der Pacht- bzw. Mietvertrag wurde von Firma re-natur zum 3. Dezember 2001 gekündigt.

In die Räume, die bis dahin vom Eiszeitmuseum genutzt und gestaltet waren, zog ein „Kräutermuseum“ ein, auf dem Außengelände wurde ein „Kräuterpark“ angelegt. Beide Einrichtungen bestehen noch heute (2015) und informieren über Heilkräuter, heimische Wildgemüse und gefährdete Nutzpflanzen.

Weiter:

Eiszeitmuseum in Bordesholm 2003 bis 2006

Weiter:

Eiszeitmuseum in der „Auffahrtscheune“ Nienthal bei Lütjenburg ab 2006

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