Die Zeit der Leibeigenschaft
Im Mittelalter waren die Einkünfte der Ritter durch ihre Kriegsdienste beim Landesherrn und das damit verbundene Lehen gesichert. Die zum Lehen zugehörigen Bauern waren ihrer Eigenschaft nach frei.
Mit Änderung der Waffentechnik waren die Kriegsdienste der Ritter und ihrer Bauernkrieger überflüssig. Da im 16. Jahrhundert der Bedarf an Nahrungsmitteln sowie ihr Preis sprunghaft anstieg, war nun auf dem Gebiet der Landwirtschaft Geld zu verdienen.
Um über immer mehr Land verfügen zu können, fingen die Grundherren mit dem „Bauernlegen“ an, das heißt, sie vertrieben ehemals freie Bauern von ihren Höfen. Durch das Kieler Privileg von 1524 hatten die Ritter die Obergerichtsbarkeit über ihre Güter erhalten. Damit zwangen sie immer mehr Bauern in die Leibeigenschaft. Der Leibeigene gehörte dem Gutsherrn wie das Land. Er durfte die Scholle nicht verlassen, er musste einen festgelegten Teil seiner Arbeit für den Gutsherrn entrichten. Nicht einmal heiraten durfte er ohne die Erlaubnis des Grundherrn.
Die Pflicht des Gutsherrn war wiederum, seine Leibeigenen bei Katastrophen und Missernten zu ernähren und vor dem Tod durch Erhungern zu retten. Ihm war per Gesetz die Sorge für die Menschen auf dem Gut anvertraut.
Doch nicht alle Gutsherren hielten sich an ihren Teil der Pflichten.
So geschah es auch auf Gut Depenau in der Zeit des Gutsherrn Joachim von Brockdorff (1643 – 1719), der die Leitung des Gutes 1681 übernahm.
In den Gerichtsakten der Zeit finden sich viele Fälle, in denen sich die Leibeigenen des Gutes Depenau und der zugehörigen Dörfer Stolpe und Wankendorf über die Maßlosigkeit und Willkür ihres Gutsherrn beschwerten. Er vereinnahmte Land, das sie zur Versorgung ihrer Familien benötigten, Weideland für ihre Tiere. Statt den Bauern eine Kuh, die eingegangen war, zu ersetzen, nahm er ihnen willkürlich Tiere weg. Er zwang ihnen mehr Frondienste auf, als schriftlich vereinbart war. Die Leibeigenen begannen zu murren. Viele versuchten sich durch Flucht von Depenau der Willkür zu entziehen. Die Zurückbleibenden wehrten sich durch Verschleppung der Dienstbarkeiten für den Grundherrn. Als sich die Situation nicht besserte, riefen sie zum offenen Aufruhr auf.
Joachim von Brockdorff antwortete mit noch größerer Härte, sperrte die Rädelsführer ins Gefängnis des Gutes. Er ging sogar so weit, einen Mann zu töten und mehrere schwer zu verletzen.
Dies ging dem dänischen König zu weit. Er entsandte einen Beamten, der die Beschwerden beider Seiten überprüfen sollte. Der Bericht fiel entsprechend negativ für von Brockdorff aus. Er musste eine Strafe von insgesamt 6000 Reichstalern zahlen. Ihm wurde eine Zeitlang die Verwaltung des Gutes entzogen. Er versprach Besserung, aber als er auf das Gut zurückkehrte, änderte sich nichts.
Bis zu seinem Tode im Jahr 1719 zogen sich die Auseinandersetzungen mit den Leibeigenen dahin. Seine Witwe, Anna Margaretha, geb. Marselis, die aus einer reichen Hamburger Kaufmannsfamilie stammte, ging nicht gar so willkürlich mit den Leibeigenen um, entließ sogar einige aus der Leibeigenschaft. Trotzdem klagten Hufner und Insten über die Willkür der Bauernvögte, die doch selber Leibeigene, aber Handlanger des Gutsherrn waren.
Die Geisteshaltung von Christian Detlev, des Sohnes von Joachim von Brockdorff , (1675 – 1744), der das Gut nach dem Tod seiner Mutter 1736 erbte, spricht aus diesem von ihm 1740 geäußerten Spruch: „…nichts gehöret euch zu, die Seele gehöret Gott, eure Leiber, Güter und alles was ihr habt, ist mein,…“ (Quelle: Silke Göttsch: „Alle für einen Mann…“ 1991)
Die Leibeigenen auf Gut Depenau beugten sich nicht ihrem Schicksal.
Sie kannten ihre Rechte und ihre Pflichten und bedienten sich der schriftlichen Dienste des Pastors und des Schulmeisters, um den Gutsherrn beim dänischen König zu beklagen. Der Geist der Rebellion, den die gutsherrliche Willkür auf Gut Depenau hervorgerufen hatte, äußerte sich in mehreren Aufständen (1707, 1709, 1718, 1744, 1766, 1768, 1782 und 1794), die allesamt vom Militär niedergeschlagen wurden.
Ab 1783 gelangte das Gut in den Besitz der Grafen von Luckner, die den Ideen der Aufklärung nahe standen. Sie sahen keine andere Möglichkeit, den Geist der Rebellion zu besiegen, als die Hofdienste abzuschaffen, die die Quelle der Unzufriedenheit der Leibeigenen war. 1805 wurde die Leibeigenschaft in Schleswig-Holstein durch den dänischen König Friedrich IV aufgehoben.