Knickweg

Gedicht von Margarete Weinhandl 

KNICKWEG

Das Kornfeld hinan und den Hügel hinüber,

den Hohlweg entlang und die Wiese talüber,

windschützend, handhegend – so buscht sich der Knick,

er friedet die Koppel, beschwichtet den Blick;

tauschattig, nestheimlich, astknorrig verschränkt,

das Haselholzdickicht wildrosenumhängt,

umweht er mit gründend lebendiger Gnade

das ernste Gegrübel der sandigen Pfade.

Plötzlich – leuchtend zum Erschrecken

öffnet sich der dichte Knick,

Erdenwall und hohe Hecken

springen pfostengrad zurück.

Aller Weite Wunderbildnis

drängt sich in das offne Tor:

Weideland und dunkles Moor

unter gelber Wolkenwildnis,

blaue Streifen, offner See

über Korn und Buchenhügel,

tief im Lande je und je

schräggekreuzte Mühlenflügel.

Und wieder gefangen der schweifende Blick,

die Lichtung verloren im laufenden Knick,

zur Linken und Rechten die buschigen Wände,

die atmende Stille, die hütenden Hände.

Bedrängt dich, o Seele, die laubige Enge?

Lass lehren des Knickwegs gelassene Länge

dich ebenso einsam beharrliches Schreiten,

es lohnen dich Tore unendlicher Weiten.

aus: Otto Kock: Bilder im Amt Wankendorf, 1972

Margarete Weinhandl (1880 – 1975) war Gattin des Philosophen Ferdinand Weinhandl. Sie war Lyrikerin, Erzählerin und Essayistin. Sie lebte in Kiel und Graz. Das Gedicht stammt aus dem Jahr 1927 und wurde veröffentlicht im Buch „Eine Landschaft in 7 Schöpfungstagen 2“. Man muss allerdings auch wissen, dass Margarete Weinhandl im Dritten Reich NS-Kulturreferentin in Schleswig-Holstein war.

 

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